Warendorf. Hätte jemand Anfang des vergangenen Jahres erklärt, in Warendorf würde 2023 zumindest ansatzweise ein Karneval gefeiert werden können, wie ihn die Jecken kennen, sie hätten ihn möglicherweise belächelt. Corona-, Ukraine und Wirtschaftskrise, da kommt seit einiger Zeit manches zusammen, das dazu geeignet ist, den Jecken erneut einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Aber wer Krise kann, der packt auch Veränderung. Wie viele andere Vereine muss sich die Warendorfer Karnevalsgesellschaft (WaKaGe) in einer Phase permanent wechselnder Rahmenbedingungen neu orientieren. „Wir begreifen das inzwischen weniger als Herausforderung, sondern vielmehr als Chance“, sagt ein sturmerprobter WaKaGe-Präsident Hermann-Josef Schulze Zumloh.
Die zwei Jahre coronabedingt auf Eis gelegte Narretei habe Raum gegeben, neue Wege zu beschreiten, und das in vielfacher Hinsicht, beispielsweise musikalisch, so Hermann-Josef Schulze Zumloh weiter. Frank I., (Hülsbusch) „der Ewige“, wie er inzwischen scherzhaft genannt wird, weil kein Prinz in Warendorf länger im Amt war als das „Gesangsoriginal aus dem Josephshospital“, lässt Worten Taten folgen, macht Ernst und möchte partout nicht weiter das musikalische Aushängeschild der Karnevalsgesellschaft sein. Die Erinnerungen an die Vorgänger des Oberhofsängers sind inzwischen derart verblasst, dass man meinen könnte, außer hm könnte es keinen anderen geben. Hat es – das ist amtlich, aber niemanden seines Formats.
An die Stelle von Frank Hülsbusch tritt eine Frau. Eine Niederländerin, wobei das kaum von Belang wäre, gäbe es da nicht diesen charmanten Akzent in ihrer Stimme. Es ist ein Novum in der Geschichte der Warendorfer Karnevalsgesellschaft, deren Anfänge bis weit in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Linda Weissink, bald 44 Jahre jung und seit vielen Jahren an der Seite des Ex-Prinzen Dirk I., ist die neue Hofsängerin.
Eine Feuertaufe ist die Prinzenproklamation am Samstag, 21. Januar, für sie jedoch nur bedingt. Die junge Frau, die als Intensivkrankenschwester in der Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde tätig ist, kennt zumindest den Rosenmontagszug in Warendorf seit ihrer Jugend: Sie ist ein Kind der fünften Jahreszeit (geboren am 6. Februar 1979), ist in ihrem Heimatort Enschede im Karnevalsverein und nimmt mit der Schütterie (so nennt sich die holländische Musikkapelle, in der sie mitspielt) von Jugendtagen an ihren Platz ein zwischen Prinzengardewagen und Prinzenwagen.
Und so lernten sich Dirk I. („von Architektur und Handball pur“) Tönnies und die Musikerin aus Enschede auch kennen. Er, von 1997 bis 2016 in der Prinzengarde der WaKaGe, sie das blonde Mädchen im Wagen hinter ihm, die in den Pausen schon mal gern zur Garde kam. Gefunkt hat es jedoch erst viel später, genauer gesagt Rosenmontag vor inzwischen elf Jahren. Als der großgewachsene Blonde dann 2017 den Narrenthron erklomm, konnte niemand ahnen, dass aus seiner Partnerin einst eine Hofsängerin werden würde.
Das begann sich erst abzuzeichnen, als Tönnies das Narrenzepter an seine Nachfolger übergab: Da sang sie ihm ein Lied zum Abschied. Ein Moment, der im Gedächtnis geblieben ist: Linda Weissink ebnete – ohne es zu ahnen – den Weg zu einem Paradigmenwechsel in der WaKaGe. Sie ist erste Hofsängerin des Vereins. Die Anspannung ist entsprechend groß, zumal auch ihre Begleiter Neuland betreten. Statt Klaus Hoffmann und seiner WaKaGe-Band, die aus gesundheitlichen Gründen des Kopfs der Combo nach vielen Jahren und zum Bedauern der Karnevalsgesellschaft den Rückzug angetreten haben, übernimmt „Musica é“ aus Rheine den Taktstock.
Die Prinzenproklamation am Abend des 21. Januar in den Hallen der Sportschule der Bundeswehr ist bekanntlich ausverkauft. Die tatsächliche Feuertaufe gedenkt die neue Hofsängerin allerdings auch bereits am Nachmittag desselben Tags zu bestehen: beim Wakalopp. Früher Seniorenkarneval genannt, trägt dieses Format einem stetig jünger werdenden Publikum Rechnung. Karten zu 20 Euro inklusive westfälischem Imbiss und einem Freigetränk gibt es bei der Tourist-Information an der Emsstraße in Warendorf, bei Spielwaren Kieskemper in Freckenhorst und im Blumenhaus Pelster in Milte.