VHS-Forscherwerkstatt „Die vergessenen Opfer in Warendorf“:
Schicksal des Warendorfer „Euthanasie“-Opfers August Tertilt (1908-1941) aufgeklärt.
August Tertilt war gerade einmal 33 Jahre alt, als er Ende Juli 1941 in der Landesheilanstalt Hadamar (Hessen) ermordet wurde, auf staatliche Veranlassung und in medizinischer Obhut. Er litt seit seiner Jugend in Warendorf unter epileptischen Anfällen. Die Forscherwerkstatt der Volkshochschule Warendorf „Die vergessenen Opfer in Warendorf. Der Mord an psychisch Kranken und geistig Behinderten im Nationalsozialismus“ unter Leitung von Matthias M. Ester M.A. konnte inzwischen ein erstes Schicksal eines Warendorfer „Euthanasie“-Opfers aufklären.
Eine gewisse Zeit konnte August Tertilt als Landwirtschaftsgehilfe und Holzschuhmacher arbeiten. Doch dann verschlimmerte sich die Krankheit. Er wurde Anfang Juli 1937 in die Provinzialanstalt Marsberg eingewiesen. Sein Krankheitszustand änderte sich nicht, so dass er in das nationalsozialistische „Euthanasie“-Aktion T4 geriet. Zwischen Januar 1940 und August 1941 ermordeten die Nationalsozialisten über 200.000 Menschen, die aufgrund psychischer Krankheit und geistiger Behinderung als „lebensunwert“ und als „Ballastexistenz“ angesehen wurden. Ende Juni 1941 wurde August Tertilt zwangsweise erst in die Anstalt Weilmünster und dann in die Tötungsanstalt Hadamar „verlegt“, wo er Ende Juli 1941 direkt nach der Ankunft vergast wurde.
An der Pilotstudie der VHS-Forscherwerkstatt nahm auch Sebastian Lange, Schüler des Mariengymnasiums Warendorf, teil. Nach begleiteten Archivbesuchen und Recherchen in „Euthanasie“-Gedenkstätten fasste er die ersten Ergebnisse in einer Facharbeit für den Projektkurs „Erinnern gegen das Vergessen“ zusammen. Bislang konnten ca. 15 Personen aus Warendorf, Freckenhorst und Hoetmar namentlich festgestellt werden. Ihre Schicksale sollen von den Teilnehmern der Forscherwerkstatt, die nach den Sommerferien fortgesetzt wird, so weit wie möglich aufgeklärt werden, „damit den vergessenen Opfern des Nationalsozialismus Gerechtigkeit zumindest in der Erinnerungskultur widerfährt“, so Matthias M. Ester.
Zur Recherchearbeit gehörte auch, die Familie von August Tertilt ausfindig zu machen, was schließlich gelang. Ein Neffe berichtete das Wenige, was seine Familie über das Schicksal ihres Verwandten wusste. Er zeigte sich sehr erfreut, dass nun die wenigen Informationen und vielen Mutmaßungen durch die Ergebnisse der Recherchen stark erweitert werden konnten.
Am 30. Juni 2021 verlegt die Stolperstein-Initiative Warendorf und die VHS-Forscherwerkstatt „Die vergessenen Opfer in Warendorf“ einen Stolperstein für A. Tertilt vor seinem Elternhaus, in dem er 1908 geboren wurde. Die Patenschaft über den Stolperstein hat das Mariengymnasium Warendorf übernommen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Warendorf