Als finanzkräftiger Mäzen, der prestigeträchtige und lukrative Staatsaufträge zu vergeben vermochte, nahm Kaiser Wilhelm II. erheblichen Einfluss auf die Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Ihm wird jedoch ein konservatives Kunstverständnis zugeschrieben, das den jüngeren Kunstströmungen der Moderne skeptisch bis feindlich gegenüberstand. Seine „Rinnstein-Rede“ von 1901, in der sich zugleich ein absolutistisches Weltbild artikulierte, rief bei den Verfechtern der Avantgarde Kritik und Spott hervor.
Neben den vielbeachteten Historienbildern der Zeit, in denen namhafte Akademie-Professoren und die in der Gunst des Kaisers stehenden Künstler:Innen das wilhelminische Geschichtsverständnis und Weltbild für die Nachwelt fixierten, sind Aspekte der Einflussnahme Wilhelms II. auf Entwicklungen des Kunsthandwerks weitaus weniger bekannt. Bereits seit 1763 unterhielt die Hohenzollern-Dynastie die Königliche Porzellan-Manufaktur in Berlin. Großherzog Friedrich I. von Baden eröffnete 1901 die Großherzogliche Majolika-Manufaktur in Karlsruhe als Ausdruck der Majolika-Mode um 1900. Im westpreußischen Ort Cadinen nordöstlich von Elbing nahe der Ostseeküste nahm Wilhelm II. 1904 mit der „Königlichen Majolika- und Terrakotta-Werkstatt“ seine eigene Gründung vor und bestimmte zudem als künstlerischer Direktor der Manufaktur selbst Auswahl der Künster:Innen, sowie die Motive und Sujets der keramischen Produkte.
Die Ausstellung im Westpreußischen Landesmuseum erörtert den Einfluss des kaiserlichen Geschmacks auf das in Cadinen hergestellte Kunsthandwerk und verhandelt das wilhelminische Kunstverständnis am Beispiel der künstlerischen Keramik zwischen den Polen ‚Kunst‘ und ‚Kitsch‘.
Als Kooperation mit dem Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg führt die Ausstellung eine Auswahl an hochwertigen Terrakotten und Majolika des Labels „Cadinen“ aus beiden Häusern zusammen und vermittelt einen Überblick über die Entwicklung der Produktpalette in einem Zeitraum von 40 Jahren. Zudem wurden Expert:Innen Cadinen-sammelnder und bewahrender Institutionen dazu eingeladen, besondere Stücke ihrer Sammlung in Videoporträts vorzustellen und einen Einblick in die Geschichte dieser Objekte zu geben.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Dr. Gisela Parak und Dr. Martin Steinkühler
Eröffnung: 10. März 2022, 19 Uhr